Unseren letzten vollen Tag auf Corvo haben wir ganz entspannt verbracht. Wir haben am Strand gesessen, bis uns die Sonne zu sehr brannte, sind durch die Straßen gegangen und haben noch einmal die Atmosphäre dieses kleinen Dorfes auf einem Vulkan im Atlantik in vollen Zügen genossen. Da an diesem Tag wirklich nichts Aufregendes passiert ist, nutze ich mal die Gelegenheit, meine Eindrücke von Corvo zusammenzufassen.

Die Azoreaner an sich sind schon ein sehr freundliches Völkchen. Die Bewohner von Corvo stechen hier aber noch einmal positiv heraus. Ausnahmslos jeder grüßt hier jeden auf der Strasse. Wir Touristen wurden da nicht anders behandelt als alteingesessene Inselbewohner. Selbst wenn uns auf der Strasse bei einer der beiden Wanderungen ein Auto entgegenkam, grüßte immer eine Hand hinter der Windschutzscheibe.

Ein anderer Punkt ist mir auch aufgefallen. Die Kittelschürze wird von den Damen der Insel durchaus als straßentaugliches, modisches Accessoire angesehen. Sie wird sowohl beim Spaziergang durch das Dorf, als auch beim Einkaufen oder bei der Arbeit in Haus und Garten getragen. Es war spannend zu sehen, wie schnell ich mich an den Anblick gewöhnt hatte und mir eher die wenigen Frauen ohne Schürze auffielen.

Ein schönes Ritual ließ immer um die Mittagszeit beobachten. In der Woche wird die Insel um diese Zeit von zwei Maschinen, von anderen Inseln kommend, angeflogen. Ungefähr eine halbe Stunde vor der Landung dreht die Flughafenfeuerwehr eine erste Runde mit ihrem grünen Löschfahrzeug auf der Landebahn.

Mit Blaulicht und Sirene geht es mit stattlicher Geschwindigkeit die Piste entlang, um die dort sitzenden Vögel zu vertreiben. Da die kleinen Piepmätze natürlich irgendwann spitzgekriegt haben, dass ihnen durch die Feuerwehr nicht wirklich Gefahr droht, heben sie einmal ab, drehen eine Runde um den Platz und sitzen nach wenigen Minuten wieder an die gleiche Stelle. Aus diesem Grund wiederholt die Feuerwehr die Fahrt auch wenige Minuten bevor die Maschine dann wirklich landet noch einmal.

Bei unseren Wanderungen ist uns aufgefallen, dass jede auch nur erdenkliche Fläche genutzt wird, um hier etwas anzubauen. Selbst an den steilen Hängen des Vulkankegels gibt es terrassenartig angelegte Felder auf denen Gemüse angebaut wurde. So verwundert es nicht, dass auch die Flächen links und rechts der Landebahn genutzt werden – hier wird Heu gemacht!

Sehr süß fand ich die Antwort des Hotelbesitzers auf die Frage, ob es denn auf der Insel eigentlich Autounfälle gäbe. Er musste tatsächlich einen Moment lang überlegen und meinte dann, es hätte vor zwei Jahren mal einen gegeben. Einer der junge Bewohner Corvos sei eingeschlafen und dann irgendwo gegen gefahren. Das klingt für mich nach einer vertretbaren Quote.

Wo wir schon beim Autofahren sind. Wie lernt man eigentlich auf der Insel Auto fahren? Naja, nicht anders als bei uns! Es gibt tatsächlich einen Fahrschulwagen mit dem die jungen Bewohner Corvos ihren Führerschein machen können. Was sie auf der Insel definitiv lernen ist anfahren am Hang. Staus, Gegenverkehr und Ampeln tauchen wahrscheinlich nur in der Theorie auf. Wenn die Autofahrer später mal in Lissabon hinter’s Steuer schlüpfen, sind sie bestimmt nach wenigen Minuten durchgeschwitzt.

Um einen Blick auf den Friedhof kommen wir selten herum. Rein aus beruflichen Gründen schaut Benjamin gerne mal nach Grabschmuck. Der Friedhof von Corvo ist schon ein wenig seltsam. Insgesamt gibt es 655 Grabstätten, von denen aber nur knapp die Hälfte belegt ist. Auf mich macht es den Eindruck, dass die Einwohner irgendwann die Insel verlassen und in ihrer neuen Heimat sterben. Ich hoffe übrigens, dass der Rückwirbel auf dem Bild nicht unbedingt von einem Menschen ist…

Da wir Gewohnheitstiere sind, sind wir auch am letzten Abend in das gleiche Restaurant gegangen. Den Kellner hatten wir am Morgen schon in der Stadt getroffen, wo es uns mit einem kräftigen „Guten Morgen!“ begrüßte. Wie ich bereits geschrieben habe, haben wir unsere Bestellung meist versucht, auf Portugiesisch aufzugeben. Einen Abend zuvor hören wir dann mit einem halben Ohr, wie sich unser Kellner ein paar Tische weiter mit einem deutschen Paar unterhielt… und es war weder Portugiesisch, noch Englisch. Also haben wir ihn auf seine Deutschkenntnisse angesprochen und ernteten ein „Na klar spreche ich Deutsch. Ich bin in der Schweiz aufgewachsen.“

Als wir dann am letzten Abend unsere Bestellung aufgegeben haben, war er nicht da und eine junge Kellnerin hat uns bedient. Wir haben ihr erklärt, was wir gerne hätten und ihr Gesicht begann zu strahlen: „Oh, you are the feijoada guys!“. Es hatte sich wohl im Restaurant rumgesprochen, dass wir jeden Abend den gleichen vegetarischen Bohnen-/Kohleintopf namens Feijoada bestellt haben, weil es uns einfach so gut geschmeckt hat.

Auf dem Rückweg zum Guesthouse Comodoro winkte uns dann jemand aus der Entfernung freudig zu. Es war die Putzfrau aus dem Hotel, die sich noch einmal für das Trinkgeld bedankte 🙂