Die Zeit in der Wassermühle ist heute zu Ende gegangen. Wir haben noch in aller Ruhe gefrühstückt, die restlichen Sachen gepackt und haben dann unsere Koffer die lange, steile Rampe bis hoch an die Strasse getragen. Mit dem Wagen ging es dann über Furnas entlang der Nordroute nach Ponta Delgada. Kurz vor dem Flughafen wurde noch schnell wieder vollgetankt und damit waren wir fertig für den Abflug nach Graciosa.
Graciosa ist die zweitkleinste Insel der Azoren (nach Corvo). Hier leben etwa 4.400 Menschen auf knapp 60 Quadratkilometern. Die Insel liegt in der Zentralgruppe zu der auch São Jorge, Pico und Faial gehören. Von Ponta Delgada aus sind es fast 300 Kilometer Richtung Nordwesten und damit ca. 50 Minuten Flug mit den kleinen Propellermaschinen der lokalen Fluggesellschaft SATA.
Wir haben uns den Sonnabend als Reisetag ausgesucht, da es nur an diesem Wochentag eine Direktverbindung zwischen den beiden Inseln São Miguel und Graciosa gibt. Alle anderen Flüge laufen immer über eine der anderen Inseln in der Zentralgruppe und man verliert viel Zeit damit, auf den Anschlussflug zu warten.
Das Einchecken war bereits online geschehen, die Bordkarten hatten wir in der Wallet-App auf unseren Handys und so mussten wir nur noch das Auto und anschließend unsere Koffer abgeben. Die Autorückgabe verlief komplett problemlos und schnell. Das Abgeben der Koffer zog sich in die Länge.
SATA hatte für den Check-In und die Gepäckabgabe zwei Schalter angegeben, die die nächsten drei Flüge auf die Nachbarinseln abarbeiten sollten. Anfangs bewegte sich die Schlange noch etwas, dann wurde es etwas langsamer, um anschließend komplett zum Stehen zu kommen. An dem linken Schalter stand eine italienische Großfamilie und hatte Stand-By-Tickets für den Weiterflug ab Pico gebucht. Da die Maschine für den Anschlussflug aber bereits fast ausgebucht war, konnte der Mitarbeiter am Schalter den Gästen keine komplette Weiterreise garantieren.
Hier prallten nun portugiesische bzw. azoreanische Gelassenheit und italienische, nennen wir es mal „Lebensfreude“ aufeinander. Mit stoischer Ruhe erklärte der Schaltermitarbeiter den wild durcheinander schnatternden Italienern wieder und wieder das Problem. Entweder käme nur ein Teil der Gruppe am Ziel an oder sie würden einen späteren Flug nehmen müssen, was bei einer Verbindung pro Tag eine weitere Übernachtung auf São Miguel zur Folge gehabt hätte.
Es ging also nicht nur zwischen dem SATA-Mitarbeiter und der Gruppe hin und her, sondern auch innerhalb der Gruppe schien Uneinigkeit zu bestehen, wie sie mit der Situation umgehen sollten. Da nur zwei aus der Gruppe leidlich Englisch sprachen, waren sie der Flaschenhals durch den alle Argumente aus der Gruppe in Richtung des Schalters und wieder zurück mussten. Die Dynamik war sehr spannend zu betrachten, führte aber nicht dazu, dass in absehbarer Zeit eine Lösung erreicht werden konnte. Somit war dieser Schalter blockiert.
Der rechte Schalter konnte nun auch keine Passagiere mehr abfertigen, da eine dreiköpfige Band gefühlte 48 Stücke Handgepäck pro Person hatte und diese natürlich auch mit in die Kabine nehmen wollten. Zum Glück waren hier keine Übersetzungen notwendig, da auf beiden Seiten des Schalters Portugiesen saßen bzw. standen. Beim Handgepäck versteht die SATA relativ wenig Spaß, da die kleinen Maschinen wohl empfindlicher auf ein Übergewicht reagieren als große Jets.
So wurde nun pro Person jedes Stück Handgepäck abgewogen, das Gewicht addiert und geprüft, ob die Grenze von 5 Kilo pro Person nicht überschritten werden. Da sich die Bandmitglieder nicht ganz im Klaren waren, wer jetzt eigentlich gerade dran war, seine Köfferchen abzuwiegen, gab es mehrfach ein Durcheinander und das ganze Procedere begann von vorne. Dann war der Erste fertig, hatte natürlich Übergepäck und verteilte schwerere Stücke auf die Koffer der Mitreisenden, die dann ihrerseits wieder Übergepäck hatten.
Anstatt ein Gesamtgewicht von 15 Kilo für die ganze Gruppe abzuwiegen, wurde wirklich für jeden Passagier sein Limit von 5 Kilo haarklein abgewogen. Am Ende wurden Kameraobjektive irgendwo am Körper verstaut, um das Gewicht irgendwie unter die Grenze zu bekommen. Wie das Ganze an beiden Schaltern ausgegangen ist, haben wir nicht mehr mitbekommen, denn eine freundliche Mitarbeiterin am Nachbarschalter, die eigentlich für einen interkontinentalen Flug zuständig war, winkte uns zu sich rüber.
Nachdem wir am uns genannten Gate 8 ankamen, mussten wir noch eine Zeit auf Sitzplätze warten. Eine Ryanair-Maschine nach Frankfurt wurde an den Gates 9 und 10 abgefertigt und die Passagieranzahl überstieg die Anzahl der Sitzplätze deutlich. An Gate 8 war zunächst noch die Abfertigung der Maschine nach Pico vorgesehen. Im Anschluß sollte es dann dort für uns nach Graciosa gehen.
Das Boarding des Ryanairfluges ging recht zügig vonstatten, die Passagiere für den Flug nach Pico hatten sich vor Gate 8 bereits in einer langen Schlange aufgestellt, so daß wir recht schnell zwei Sitzplätze am Gate 9 mit Blick auf Gate 8 bekamen. Kurze Zeit später gab es eine Gateänderung für unseren Flug nach Graciosa, da sich der Abflug nach Pico verzögerte. Wo eben noch Gate 8 für uns stand, tauchte nun Gate 9 auf, an dem wir bereits saßen – perfekt!
Kurze Zeit später wurde unser Flug bereits zum Boarding aufgerufen und wir liefen vom Gate in Richtung der kleinen Maschine. Die 36 Sitzlätze im Flugzeug waren schnell belegt und der Steward begann mit seiner Sicherheitsunterweisung, die wirklich keinen interessierte. Wahrscheinlich hat er auch aus diesem Grund darauf verzichtet, die Vorführung noch einmal auf Englisch durchzuführen.
Der Flug verlief sehr ruhig und während der 50 Minuten in der Luft konnten wir bereits die Wolkendecke bewundern, die die Sonne für die nächsten Tage verschlucken sollte. Die Witterung auf den Azoren kann aber auch schon einen kurzen Flug zu einem echten Abenteuer werden lassen. SATA ist die einzige Airline die ich kenne, die extragroße Spuktüten aus reißfestem Plastik mitführt.
Der Flughafen von Graciosa erwacht mit jeder Landung aus einem Dornröschenschlaf, um kurze Zeit danach wieder darin zu versinken. Wir bekamen unsere Koffer sehr schnell und konnten gleich zum Mietwagenschalter durchgehen.
Nachdem wir unseren Wagen auf dem Parkplatz in Empfang genommen hatten, meinte Benjamin auf dem Nebenplatz das Auto wiederzuerkennen, mit dem wir vor drei Jahren auf der Insel unterwegs waren.
Gute 15 Minuten später waren wir bereits an dem von uns gemieteten Ferienhaus. Maria und Raul, die Vermieter, warteten bereits auf uns. Sie haben uns kurz alle Annehmlichkeiten ihres Hauses erläutert, uns einen großen „Fresskorb“ mit frischen Produkten geschenkt und sich dann verabschiedet.
Im Anschluß sind wir noch kurz in die Inselhauptstadt Sant Cruz gefahren, um die restlichen Lebensmittel einzukaufen. Zurück am Haus haben wir ersteinmal die Gegend erkundet und haben dann die Füße hoch gelegt.
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